Für das Entstehen einer Depression bei gehörlosen Menschen kann es viele Ursachen geben:
Viele Gehörlose haben in ihrer Kindheit und in Gehörlosenschulen negative Erfahrungen gemacht. Zwischen hörenden Eltern und gehörlosen Kindern fehlte es häufig an echter und funktionierender Kommunikation. Diese jedoch stellt die Voraussetzung für einen harmonischen Entwicklungsprozess und das Lernen sozialer Kompetenzen, wie z.B. Verhaltensregeln in der Gesellschaft dar.
Gebärdensprache war früher meistens verboten, dafür mussten Kinder und Jugendliche regelmäßig zum Sprech- bzw. Artikulationstraining.
Bei einigen Kindern blieb zudem das Gefühl zurück, aufgrund der Gehörlosigkeit nicht das „perfekte Kind zu sein“, ein Defizit zu haben, wodurch unbewusst ein negatives Selbstbild entstand.
Auch die Trennung von Eltern und Geschwistern und das Aufwachsen in Internaten kann für einige Menschen sehr belastend gewesen sein.
Nicht alle tauben Menschen konnten und können ihren Berufswunsch frei wählen.
Und auch am Arbeitsplatz mit hörenden Kollegen gibt es häufig Kommunikationsprobleme. Manche Konflikte entstehen aufgrund von Missverständnissen, doch gehörlose Menschen fühlen sich schnell gemobbt und aus der Teamgemeinschaft ausgeschlossen. Hörende Kollegen oder Arbeitgeber wissen oft nichts oder zuwenig über den Umgang mit ihren gehörlosen Mitarbeitern. So kommt es häufig zu dem Gefühl der Isolation.
Einige Gehörlose glauben, sie werden am Arbeitsplatz nicht ernst genommen und als weniger intelligent angesehen. Andere fühlen sich ungerechtfertigt schlechtergestellt als ihre hörenden Kollegen und in ihrer Karriere ausgebremst.
Es kann auch vorkommen, dass durch Dauerkonzentration und den Versuch, die Hörbehinderung zu kompensieren, einige Gehörlose am Arbeitsplatz überfordert werden.
Die Verständigung bleibt in vielen Fällen eine bestehende Barriere, denn nicht bei jedem Arbeitsplatz lassen sich technische Ausgleichsoptionen wie Mail oder Chat einsetzen.
Die Arbeitslosigkeit unter Gehörlosen ist hoch und ein sehr ernstzunehmender Faktor. Vorurteile und Vorbehalte bei der Einstellung gehörloser Mitarbeiter gehören trotz guter Ausbildungsabschlüsse und Qualifikationen leider immer noch zum Alltag.
Das gesamte gesellschaftliche Leben stellt für viele Gehörlose ein Leben voller Barrieren dar – sei es der eingeschränkte Zugang zu Information und Bildung oder der Zugang zu Ärzten und Ämtern, um nur einige Beispiele zu nennen.
Auch im Privatleben wie in Ehe und Partnerschaft oder bei der Kindererziehung kann es zu Problemen kommen.
Doch auch die Gehörlosengemeinschaft bietet nicht immer Schutz. Auch hier kann es durch den hohen Bekanntheitsgrad aller innerhalb der relativ kleinen Community zum Aufkommen von Gerüchten oder Streitigkeiten untereinander kommen, was wiederum zu seelischen Belastungen führt.
Aufgrund einiger dieser Ursachen entsteht bei manchen gehörlosen Menschen irgendwann das Gefühl der Enttäuschung, der Wut, oder der Erschöpfung. Trotzdem wollen viele ihre Angehörigen und Freunde nicht belasten und behalten ihre Probleme für sich.
Doch diese psychosozialen Belastungen können krank machen und zu psychosomatischen Beschwerden führen. Diese sind körperliche Erkrankungen, die aufgrund psychischer Belastungen entstehen, zum Beispiel Kopfschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen oder Magen-Darm-Probleme.
Die Belastungen können aber auch zu anderen psychischen Problemen führen, wie Schlafstörungen, Trauer, Niedergeschlagenheit, Interesselosigkeit, Antriebslosigkeit und Stimmungsschwankungen. Diese Symptome können Hinweise einer Depression sein.
Hörende Menschen suchen sich in diesen Fällen meistens Hilfe – sie gehen zu Beratungsstellen, zum Arzt oder zu einem Psychologen.
Für gehörlose Menschen stehen jedoch nur sehr wenige Angebote zur Verfügung, bei denen
- die behandelnden Personen Hintergrundkenntnisse über Gehörlosigkeit und die eventuell damit verbundenen Probleme haben, und
- ihnen in Gebärdensprache geholfen werden kann.
Einige denken vielleicht, wie viele hörende Menschen übrigens auch, eine psychische Erkrankung sei peinlich oder man müsste alles alleine schaffen. Doch viele Menschen brauchen einmal im Leben eine Form psychologischer Hilfe.
Denn finden diese tauben Menschen keine Hilfe, können chronische Erkrankungen oder schwere Depressionen entstehen.
Wo kann ich mich hinwenden, wenn ich psychische Probleme habe und mich über Therapiemöglichkeiten informieren möchte?
Wenn Sie Zeichen einer Depression an sich entdecken, aber keinen guten Arzt kennen mit dem Sie über Ihre Situation sprechen können; wenn Sie nicht wissen, wer Ihnen bei einer Depression weiterhelfen kann, dann können Sie sich an gehörlose und gebärdensprachkompetente Fachleute wenden.
Entsprechende Kontaktdaten finden Sie hier unten:
Wen kann ich ansprechen zum Thema „Depressionen“?
Wenn Sie gehörlos, schwerhörig oder spätertaubt sind, finden Sie für Ihre Fragen hier kompetente Ansprechpartner, die gehörlos und gebärdensprachkompetent sind:
Dr. Ulrike Gottardt (Chefärztin)
Westfälische Klinik Lengerich
Parkallee 10
49525 Lengerich
ST: 05481 / 12-386
Tel.: 05481 / 12-255
E-Mail: bzh-lengerich@wkp-lwl.org
Internet: www.lwl.org/LWL/Gesundheit/psychiatrieverbund/K/klinik_lengerich/behandlungszentrum/
Dr. Inge Richter
Klinik am Europakanal
Am Europakanal 71
91056 Erlangen
Tel.: 09131 / 753-2255 (Sekretärin Frau Hess)
Fax: 09131 / 7532670
E-Mail: juliane.hess@bezirkskliniken-mfr.de (Sekretärin) dr.inge.richter@bezirkskliniken-mfr.de (Frau Dr. Richter)
Internet: www.klinikum-am-europakanal.de/home
Gesundheitslotse für Gehörlose
Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll
Andreas Paulini (Arzt mit Gebärdensprache)
Langenhorner Chaussee 560
22419 Hamburg
Fax: 040 / 1818 – 87 19 33
E-Mail: a.paulini@asklepios.com
Internet: www.asklepios.com/klinikumnord/html/gehoerlose/index.asp
Dr. Ulrike Gotthardt, Dr. Inge Richter und Andreas Paulini haben viele Jahre Erfahrung in der ambulanten und stationären Betreuung von gehörlosen Menschen mit psychischen Problemen (z.B. Depressionen).
Bei Fragen zur Übernahme von Dolmetscherkosten
Wenn Sie Fragen zur Bezahlung von Dolmetschern bei einer Psychotherapie haben, können Sie das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit anrufen. Die Berater dort kennen sich gut aus mit dem Sozialgesetzbuch IX. Es gibt auch ein Gebärdentelefon.
Gebärdentelefon Video over IP: gebaerdentelefon.bmg@sip.bmg.buergerservice-bund.de
Gebärdentelefon ISDN-Bildtelefon: 0180-5996606
Schreibtelefon: 01805 – 99 66 07*
Fax: 01805 – 99 66 08*
E-Mail: info.deaf@bmg.bund.de oder info.gehoerlos@bmg.bund.de
* Der Anruf ist kostenpflichtig. Es gilt der Preis entsprechend der Preisliste Ihres Telefonanbieters. Meist sind das 0,14 Euro/ Min. aus dem deutschen Festnetz